Aufgelassene Baue, Funde von Mauerresten in der Maure, die sogenannten Knappenhäuser, unklare Entstehungsverhältnisse unseres Ortes und viele Ungereimtheiten führten zu volkstümlichen Deutungen und Vermischung mit Sagenhaftem. Wie häufig hat auch hierorts der Bergbau die Phantasie mancher Heimatforscher über alle Maßen angeregt und sie zu nicht beweisbaren Ergebnissen und kühnen Kombinationen gebracht. Mehrere Tatsachen, die zeitlich Jahrhunderte, ja Jahrtausende auseinanderliegen, wurden vermengt und plötzlich wußte niemand mehr, was Sage, Vermutung und Wirklichkeit war.
Der Sage vom verschütteten Karres dürfe eine Naturkatastrophe zugrunde liegen, die auf einen schweren Murbruch zurückzuführen ist. Sicher handelt es sich dabei aber nicht um jenen geologischen jungen nacheiszeitlichen Bergsturz vom Tschirgant, denn dieser erfolgte, bevor Menschen in unseren Alpentälern siedelten.
Die bisherigen Ausgrabungen auf der "Maure" rechtfertigten keineswegs die Behauptung, dass es sich dabei um ein verschüttetes Knappendorf handelt. Ebenso unrichtig ist es, die Entstehung von Karres auf den Bergbau zurückführen zu wollen. Karres ist älter als der Bergbau, wie uns die Schriftstücke um 1300 bestätigen, denn der Erzabbau setzt erst ab dem 15. Jahrhundert ein und beschränkt sich keineswegs nur auf Karrer Gebiet.
Sicher hatte Karres zur Blütezeit des Bergbaues um 1500 eine größere Bedeutung als vorher und nachher, doch dürfte sich dadurch am landwirtschaftlichen Besitzstand wenig geändert haben. Wenn auch viele Karrer, die sonst abwandern hätten müssen, für einige Jahrzehnte im Bergbau eine einträgliche Beschäftigung fanden, so kamen doch die meisten Knappen von auswärts. Ein Knappe hatte kaum die Absicht, noch die Möglichkeit, Grund zu erwerben und zu bebauen. Diese lebten meist als Inwohner (=Untermieter) in Massenunterkünften oder bestenfalls als Sölleute (=Kleinhäusler) ohne nennenswerten Grundbesitz. Bergleute waren ein eher unstetes Völklein, das gerade dorthin ging, wo der Bergsegen am größten war. Wir finden in den alten Abgabenlisten und Steuerkatastern keinen Hinweis, der auf einen Grundbesitz eines ehemaligen Knappen in Karres hinweist. Wir dürfen also den Einfluss der Knappen auf die Bevölkerungsstruktur nicht überbewerten.
Nach dem Knappenaufstand 1532 wanderten viele aus Deutschland zugewanderte protestantische Bergleute wieder ab, was leicht möglich war, da sie ja kaum an Realbesitz gebunden waren. Die Behauptung, dass um 1400 eine Knappensiedlung auf der "Maure" verschüttet wurde, lässt sich urkundlich nicht belegen. Auf die ominöse Jahreszahl ist man deshalb gekommen, weil im Jahre 1409 in Karrösten eine Kapelle errichte wurde, deren Vorgängerin verschüttet worden sein soll. Angeblich hat man laut Pfarrchronik von Karres zwei Glocken in der "Maure" gefunden, welche von jener alten Kapelle stammen. Eine davon soll noch als Sakristeiglocke in Verwendung stehen. Es ist nicht bekannt, wer wann diese Glocke in der "Maure" fand. Gab es also ein Alt-Karres auf der Maurer Wiese?
Tatsache ist, dass die älteste uns bekannte Verleihung einer Grube am Tschirgant aus dem Jahre 1464 stammt. Wie kann es also schon 100 Jahre früher ein Knappendorf gegeben haben? Und weshalb schließt man, dass es sich bei diesem Dorf um Karres gehandelt hat?
Zur Blütezeit des Bergbaues am Tschirgant waren 800 bis 1.000 Knappen beschäftigt. Im Jahre 1450 waren bereits fünf Gruben in Betrieb. Abgebaut wurde Zinkblende, Galmei (Bleiglanz wegen des hohen Silbergehaltes) und Gelbbleierz (Wulfenit). Die Höhe des Abbaues lag zwischen 760 Meter und 2.000 Meter. Die meisten Stollen sind heute eingestürzt.
Östlich von Karres oberhalb der Ortschaft Roppen führt das Silbertal zum eigentlichen Bleierzabbaugebiet. Am weitesten reichen die Abbauhalden nördlich von Karres hinauf; auch Spuren von Gebäuden sind noch erkennbar. Bekannt sind der Anna-Stollen (1.590 Meter), Franzin-Stollen, Maria-Hilf-Stollen (1.735 Meter) und der Möller-Stollen (1.810 Meter).
Josef Spreng mit dem sinnigen Prädikat "zu Sprengenstein" wurde bereits 1450 ein Grundstück des Stiftes Stams verliehen, um eine Schmelzhütte zu errichten. 1486 waren bereits 10 Stollen und 1501 insgesamt 41 Gruben in Betrieb. Bekannte Familien wie die Fieger, Spreng, Fürer (Richter zu Petersberg), Gossenbrot und Sarntein wurden zu Maximilians Zeiten mit dem Erzabbau belehnt.
Ungerechtigkeiten gegen die Bergleute vermochte auch ein eigener Bergrichter mit Sitz in Imst nicht zu verhindern, weshalb es 1532 zum erwähnten Knappenaufstand und Demolierung einer Schmelzhütte kam. Viele Bergleute wanderten wieder ab. Ständiger Streit unter den Tschirgant-Gewerken mit den Fiegern führten zur "Verstaatlichung", das heißt, die Schmelzhütte wurde landesfürstlich. 1663 waren nur noch 12 Gruben in Betrieb, die Lagerstätten waren allmählich erschöpft. Der Anna-Franzin- und Maria-Hilf-Stollen ober Karres wurden 1685 noch befahren. Insgesamt 200 Bergleute waren noch am Tschirgant tätig, bis 1740 der Betrieb gänzlich eingestellt wurde.
Heute erinnern uns noch die verfallenen Stollen, riesige Halden verfallener Knappenhäuser an den ehemaligen Bergsegen am Tschirgant. Zwei Knappenhäuser, das Wennerhaus und das Söppelerhaus mit ihren großen Toreinfahrten und ihren spätgotischen Spitzrippengewölben haben sich bis in unsere Zeit herübergerettet. Allerdings ist das Wennerhaus 1972 abgebrannt.
So bleibt nur mehr die Erinnerung an eine große Zeit, die das Geschehen in Karres durch zirka drei Jahrhunderte wesentlich beeinflusste. Daher hat sich die Gemeinde entschlossen, den Bergbau in ihrem Gemeindewappen durch Eisen und Schlägl zu versinnbildlichen.